Gerti Windhuber

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Überstanden

Heute ist die Beisetzung meiner Eltern schon wieder eine Woche her. Was habe ich mir die Tage davor alles ausgemalt: Ein positiver Corona-Test, der mich in Quarantäne schickt, sodass ich nicht zur Beisetzung kann, dass ich die ganze Beerdigung verschlafe, dass die völlig falsche Musik gespielt wird, dass viel zu viele ungebetene Gäste erscheinen oder dass ich einfach zusammenklappen könnte. Nichts davon ist passiert – ganz im Gegenteil. Wir hatten eine schöne Leich wie man im Bayern so sagt oder besser zwei davon.

Der Tag selbst ist wie in Trance an mir vorbeigezogen. Als ob ich mich selbst bei alldem beobachtet hätte. Ich war dankbar, dass meine Freundinnen zum Support da waren und dass es noch weitere Angebote gegeben hat. Zwei waren ausreichend und ich brauche sicher nochmal das eine oder andere Ohr oder mehr. Die allerbeste Entscheidung war aber, eine Trauerrednerin zu engagieren. Ich hätte keinen einzigen geraden Satz rausgebracht, aber Frau Schmitt hat sich Zeit genommen und eine wunderbare, individuelle Rede geschrieben.

Diese Woche sollte dann wieder ein bisschen Normalität einkehren: die Kollegin hat Urlaub, deshalb kann ich nicht weiter krank sein. Und auch wenn ich nicht so recht wusste, wie ich es am Montag ins Büro schaffen sollte, ohne mein Zutun hatte ich sofort Mittagsdates und sonst war so viel zu tun, dass ich nicht groß zum Nachdenken kam. Meine Abende verbringe ich – solange das noch möglich ist – beim Sport. Darüber hinaus nehme ich mir jeden Tag drei Dinge vor, die ich in Sachen Eltern erledige. So geht es zwar langsam aber immer stetig voran.

7 Uhr morgens…

… am schlimmsten Tag meines Lebens. In etwas mehr als zwei Stunden werden meine Eltern beigesetzt – beide Eltern. Nur zwei Wochen nacheinander habt Ihr diese Erde verlassen, aber irgendwie ist das richtig, denn Ihr habt die letzten 64 Jahre immer miteinander verbracht. Warum solltet Ihr jetzt getrennte Wege gehen.

Meine Eltern, so wie ich sie in Erinnerung behalten möchte

Drei Wochen hatte ich Zeit, mich auf diesen Tag vorzubereiten. Ich war beim Friseur, um ordentlich auszusehen und habe versucht, den Tag in Eurem Sinne zu organisieren. Hoffentlich ist mir das gelungen. Viele liebe Menschen haben versucht, mich zu unterstützen. Manchmal kam es mir vor als ob ich mich nicht so schlimm fühle, wie sie es sich gerade vorstellen. Seit zwei Tagen geht es mir aber gerade richtig schlecht. Ich schlafe nur noch 1 – 2 Stunden am Stück, wenn ich abends auf dem Sofa liege, ist mir kalt, obwohl ich schon unter zwei Decken liege und heute morgen bin ich mit Megakopfschmerzen aufgewacht.

Mein Herz will zerspringen und fragt den Kopf ob ich etwas falsch gemacht habe in den letzten Wochen und Monaten. Der Kopf wusste schon immer, dass dieser Tag kommen würde und auch, dass ich gar nichts falsch machen konnte, weil jede Entscheidung vom Herzen geleitet war. Leider entwickeln Kopf und Herz aber gerade ein Eigenleben, das sie in unterschiedliche Richtungen führt. Es wird wohl eine Weile dauern, bis der Kopf wieder zum Herzen findet, aber es wird passieren, denn darin wohnt jetzt Ihr – für immer.

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